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Mölln hat viele Gesichter

Die Stadt Mölln wurde im 12. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt und hat seitdem eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Sie stand unter der Herrschaft von England, Frankreich, Dänemark, Preußen, Lübeck und Lauenburg. Seit 1945 gehört sie zum Bundesland Schleswig-Holstein und zum Kreis Herzogtum Lauenburg.

Bis zum Jahr 1990 hatte Mölln durch seine Nähe zur innerdeutschen Grenze mit seiner Zonenrandlage zu kämpfen, jetzt kämpft es mit dem Wegfall der Zonenrandförderung.

Neben Industrie und Handwerk ist der Fremdenverkehr traditionell ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Stadt. Schon früh hat Mölln sich die landschaftlichen Reize der lauenburgischen Seenplatte zunutze gemacht und ist inzwischen als Kneipp-Kurort staatlich anerkannt.

Überregional bekannt ist eines der Möllner Wahrzeichen: Till Eulenspiegel. Er verstarb im Jahr 1350 im Hospital zum Heiligen Geist in Mölln. Nicht nur die Skulptur auf dem Marktplatz in der historischen Altstadt oder sein bis heute erhaltener Grabstein hinter der St. Nikolai-Kirche erinnern an diesen mittlerweile kommerzialisierten Bürgerschreck.

17.994 Menschen leben im Januar 1993 in Mölln, darunter 860 Nichtdeutsche (= 4,78 %). Die Möllner türkischer Abstammung nehmen mit über 56 % den größten Anteil an der nichtdeutschen Bevölkerung der Stadt ein. Viele der nichtdeutschstämmigen Möllner sind vor mehr als 15 Jahren nach Deutschland gekommen oder sind hier geboren.

Möllns neuere politische Vergangenheit: Schon lange vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten waren die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien im Kreis Herzogtum Lauenburg außergewöhnlich hoch, und Mölln lag teilweise noch weit über dem Kreisdurchschnitt. Doch nicht nur damals fanden Rechtsradikale insbesondere in diesem Landstrich zahlreiche Sympathisanten für ihre Ideen von "Blut und Boden" oder "law and order". Während der letzten Landtagswahlen vor den Möllner Brandanschlägen vom 23. November 1992 gaben 11,4 % der Möllner Wähler und Wählerinnen ihr Mandat den rechtsradikalen Parteien "Deutsche Volksunion" (DVU) und "die Republikaner" (Schleswig-Holstein 7,5 %, Kreis Herzogtum Lauenburg 9,6 %).

Im Zuge der Ermittlungen gegen die inzwischen verurteilten Brandstifter von Mölln, Christian Peters und Lars Christiansen, wurde festgestellt, daß sie enge Kontakte zur NPD und ihrem stellv. Landesvorsitzenden, dem Möllner Heinrich Förster, unterhielten. (Förster ist im April `94 wegen Beteiligung an einem Überfall auf das Asylbewerberheim in Bahlen zu vier Jahren Haft verurteilt worden.)

Trotz dieser eindeutigen Zahlenbeispiele ist es falsch, Mölln pauschal als "braune Hochburg" zu verurteilen, das Problem Rechtsradikalismus auf diese Stadt eingrenzen zu wollen. Presseberichte bemächtigten sich häufig allzu leichtfertig des Klischees einer idyllischen Kleinstadt, hinter deren malerischer Fassade sich nur dümmliche Ablehnung alles Fremden verberge. Selten nur wurden Journalisten der ernsthaften Anstrengungen in Mölln, auf die Ursachen und Folgen der Anschläge zu reagieren, gerecht. Selten nur unternahmen sie mehr als einen flüchtigen Blick, um mit Interesse hinter die Fassaden zu schauen. Eine deutsche Illustrierte konnte ihre vorgefaßten Aussagen nur belegen, indem sie Möllner Jugendliche für ein gestelltes Foto, welches sie mit rechts-extremistischen Symbolen zeigen sollte, kaufte.