Die Chronologie der Möllner Ereignisse
==================== 1992 =======================================
31. Oktober
Demonstration der Antifa-Jugendfront gegen Fremdenfeindlichkeit
23. November
Brandanschläge auf zwei Wohnhäuser, in denen Menschen türkischer Abstammung leben: drei Menschen werden getötet, viele teils schwer verletzt oder obdachlos. Bei der Polizei gehen Anrufe, die mit „Heil, Hitler!“ enden, ein.
Mehrere spontane Schweigemärsche an diesem und den folgenden Tagen bilden den Auftakt zu einer bundesweiten Folge von Lichterketten.
24. November
Die Hilfsorganisation „Cap Anamur“ sagt der Stadt Mölln den Betrag von DM 3 Mio. als Soforthilfe zu; daraufhin wird die Einrichtung einer deutsch-türkischen Begegnungsstätte erwogen.
15. Dezember
Die Möllner Stadtvertreterversammlung beschließt einstimmig die Errichtung einer deutsch-türkischen Begegnungsstätte in der Brandruine Mühlenstraße 9.
16. Dezember
Gründungsversammlung des Vereins „Miteinander leben“
23. Dezember
Schweigemarsch zum Gedenken an die Opfer der Brandanschläge (von nun an monatlich)
==================== 1993 =======================================
07. Januar
Lesung mit Günter Grass und musikalischer Begleitung durch türkische, russische und deutsche Interpreten (Veranstalter: „Miteinander leben“)
18. – 29. Januar
„Was wäre, wenn morgen alle Ausländer gingen?“ (Ausstellung des Schleswig-Holsteinischen Sozialministeriums und des Jugendamtes Lübeck im Möllner Jugendzentrum)
18. Januar – 18. Februar
Ein zwölfköpfiges „Friedens-Korps“ führt im Auftrag von „Cap Anamur“ in der Brandruine in der Mühlenstraße Aufräum- und Sicherungsarbeiten durch, um so am Aufbau einer internationalen Begegnungsstätte mitzuwirken.
03. Februar
Teilnahme von „Miteinander leben“ an einer Sitzung des Bildungsausschusses der Stadt Mölln mit konzeptionellen Vorschlägen zum zu schaffenden Ausländerbeirat und zur geplanten Begegnungsstätte
Februar
„Kinder dieser Welt“ (Fotografien von S. und D. Romey, Veranstalter: „Miteinander leben“)
10. März
Die Schularbeitenhilfe, ein Angebot der „Miteinander leben“-AG „Nachbarschaftshilfe“ an ausländische Kinder, nimmt ihre Arbeit auf.
19. März
Brandanschlag auf erst wenige Tage vorher errichtete Asylbewerberunterkünfte an Möllns Stadtrand; körperlich wird bei diesem erneuten Anschlag gegen das Leben von Ausländern niemand verletzt.
19. März
Anbringung eines Bildes von Horst Grünwald und drei türkischen Mädchen an der Brandruine in der Möllner Mühlenstraße. Das Bild, Till Eulenspiegel und Nasrettin Hoca darstellend, wirbt für ein tolerantes Miteinanderleben aller Bevölkerungsgruppen.
20. März
Über einen Informationsstand, Flugblätter und die Presse informiert „Miteinander leben“ die Möllner Bevölkerung über den Anschlag vom Vortag.
22. März
„Miteinander leben“ lädt die Möllner Bevölkerung zu einem Ortstermin zu den Asylbewerberunterkünften ein. Mitglieder des Magistrats oder Stadtvertreter nehmen nicht teil.
23. März
Öffentliche Vorstellung des „Möllner Festivals der internationalen Begegnung“; nur wenige der eingeladenen Vereine, Verbände und sonstigen Gruppen zeigen Interesse.
23. März
„Cap Anamur“ zieht das „3 Mio.-DM-Angebot“ offiziell zurück.
25. März – 06. April
„Mensch, guck‘ mich nicht so an! …“ (Präsentation von Karikaturen und Reportagen von David Kyungu, Tansania, Veranstalter: Bildungswerk „anderes lernen e. V.“ in Kooperation mit „Miteinander leben“).
02. April
„Miteinander leben“ verteilt Spielzeug an die in den Asylbewerberunterkünften lebenden Kinder und errichtet dort eine Schaukel.
10. April
Autorenlesung mit dem türkischen Satiriker Osman Engin (Veranstalter: „Miteinander leben“)
21. April
Der stellvertretende Vorsitzende von „Miteinander leben“, Serkan Demirtas, tritt zurück; in der Presse erscheinen daraufhin Meldungen über ein Auseinanderbrechen des Vereins.
08. Mai
„Kuhle Wampe Toy Run“: In Zusammenarbeit mit „Miteinander leben“ führt der Motorradclub „Kuhle Wampe“ einen Korso zu den Möllner Asylbewerberunterkünften durch. Während des anschließenden Festes wird Spielzeug verteilt und mit den Be- und Anwohnern gefeiert.
12. Mai
Eröffnung der Ausstellung „Zorn und Trauer – vor und nach Mölln“ des Schenefelder Kunstvereins und der dortigen Stadtverwaltung im Möllner Stadthaus
17. Mai
Vor dem II. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Schleswig beginnt der Prozeß gegen Lars Christiansen und Michael Peters.
26. Mai
Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes (vormals: Politisch Verfolgte genießen Asyl.)
29. Mai
In Solingen werden bei einem Brandanschlag auf ein Wohnhaus, in dem ausschließlich Türken leben, fünf Menschen getötet. Nur wenige Tage vorher erklärte Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl in der Türkei, daß „Mölln“ sich nicht wiederholen werde.
30. Mai
Anläßlich des Brandanschlages vom Vortag fährt eine Möllner Delegation nach Solingen. Anschließend ruft „Miteinander leben“ zu finanzieller Hilfe für die Opfer des Anschlages auf.
11. Juni
Der „Verein zur Förderung multikultureller Begegnung“ gründet sich in Mölln und verabredet eine enge Zusammenarbeit mit „Miteinander leben“.
12. Juni
O. Çeyhun, Ausländerreferent der hessischen Landesregierung, informiert über Ursachen des Rassismus und Wege einer neuen AusländerInnenpolitik (Veranstalter: „Miteinander leben“, „Bündnis 90/Die Grünen“).
12. Juni
Demonstration in Mölln infolge des Solinger Brandanschlages (Organisation: „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten“, „Bündnis 90/Die Grünen“, „Antifa-Jugendfront“ und „Miteinander leben“).
13. Juni
„Miteinander leben“-Begegnungsfest, u. a. mit vielen Nichtmitgliedern, darunter auch sehr vielen ausländischen Mitbürgern.
10. Juli
Erstes „Deutsch-türkisches Frauencafé“ (später „Internationales Frauencafé“) von „Miteinander leben“
17. Juli
Informationsveranstaltung und Grillfest von „Miteinander leben“ mit 34 Mitgliedern des „Service Civil International“ (internationaler Friedensdienst)
28. und 29. August
„Möllner Festival der internationalen Begegnung“, mit Kultur (51 Musik- und Kleinkunstgruppen aus 11 Ländern) und Informationen für Völkerverständigung (Veranstalter: „Miteinander leben“, „LandesArbeitsGemeinschaft Folk“, „Lauenburgischer Kunstverein“)
05. Oktober
2. Antifaschistisches Jugendcafé im Möllner Jugendzentrum
31. Oktober
Während eines Fußballspiels zwischen „Türkspor Mölln“ und dem „SV Bliesdorf“ kommt es zu Massenprügeleien.
01. November
Wahl des ersten Möllner Ausländerbeirates; ungewöhnlich viele Ausländer und Ausländerinnen nehmen an dieser Wahl teil.
08. November – 12. Dezember
3. Möllner Kunst- und Kulturtage „Freundschaft kennt keine Grenzen“ (Veranstalter: U. Schmidt)
11. November
„Miteinander leben“ zeigt den Dokumentarfilm „Das falsche Wort – Wiedergutmachung an Zigeunern (Sinte) in Deutschland?“ von M. Spitta und K. Seybold.
12. November
In Köln wird zum Gedenken an die Opfer der Brandanschläge von Mölln die „Bahide-Arslan-Straße“ eingeweiht.
14. November
„Miteinander leben“ und „Bündnis 90/Die Grünen“ erinnern am Volkstrauertag in Mölln als einzige Organisationen an die Mordopfer vom 23. November 1992.
20. – 23. November
Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Brandanschläge vom 23. November 1992 (Veranstalter: Kirchen, „Verein zur Förderung multikultureller Begegnung“, „Miteinander leben“)
05. Dezember
Nikolausfeier der „Miteinander leben“-AG „Nachbarschaftshilfe“ mit den Kindern der Schularbeitenhilfe und deren Eltern
08. Dezember
Vor dem Landgericht Schleswig werden Lars Christiansen und Michael Peters wegen „Mordes an 3 Menschen in Tateinheit mit versuchtem Mord an 7 Menschen und besonders schwerer Brandstiftung sowie des versuchten Mordes an 32 Menschen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung“ verurteilt; Peters erhält eine le-benslange Freiheits-, Christiansen eine zehnjährige Jugendstrafe.
14. Dezember
Nachdem bereits in der Vergangenheit einige „Miteinander leben“-Mitglieder telefonischen und schriftlichen Anfeindungen und Beleidigungen ausgesetzt waren, wird ein Vereinsmitglied an seinem Arbeitsplatz tätlich angegriffen. „Miteinander leben“ wendet sich über die Presse und Flugblätter an die Öffentlichkeit.
==================== 1994 ========================================
04. Februar
„Roma aus Rumänien – abgelehnt und verfolgt“ (Vortragsveranstaltung von „Miteinander leben“ mit K. Reemtsma, „Gesellschaft für bedrohte Völker“)
05. Februar
Faschingsfeier der AG „Nachbarschaftshilfe“ mit den Kindern der Schularbeitenhilfe
17. Februar
Die Stadt Mölln kündigt über die Presse die Einrichtung einer Begegnungsstätte in dem Haus hinter der Brandruine in der Mühlenstraße an. Investitionskosten: ca. DM 600.000.
20. Februar
Tagesseminar „Begegnungsstätte in Mölln“: „Miteinander leben“ wendet sich mit diesem Seminar an die Stadt Mölln und an potentielle Förderer und Mitnutzer der zu schaffenden Begegnungsstätte. Viele Organisationen, unter ihnen „terre des hommes“, „amnesty international“, Kirchengemeinden u. a., zeigen Interesse. Die Einrichtung eines Planungsgremiums mit Vertretern verschiedener Vereine und der Möllner Stadtverwaltung wird beschlossen, Ziele und Organisationsformen für eine spätere Trägerschaft werden erörtert.
02. März
„Demokratie ohne Demokraten – Gedanken zur Geschichte und Gegenwart der politischen Kultur in Mölln“ (Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Dr. William Boehart, Veranstalter: „Miteinander leben“)
19. März
Während eines zweiten Seminars zur Begegnungsstätte werden Aspekte der zukünftigen Organisationsform und der Bauplanung erörtert. Überregionale Organisationen, die zu dieser Tagung von „Miteinander leben“ eingeladen wurden, nehmen nur in geringer Zahl teil.
20. März
Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein
25. März
Um 0220 Uhr verüben Lübecker Jugendliche einen Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck; zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg brennt in Deutschland wieder ein jüdisches Gotteshaus.
31. März
„Miteinander leben“ ruft zu einer Mahnwache vor der Lübecker Synagoge auf und verteilt Flugblätter in der Lübecker Innenstadt.
29. April
„Ein Anschlag mit Geschichte – Zur Entwicklung des Antisemitismus in Schleswig-Holstein nach 1945“ (Vortrag mit S. Bussenius vom „Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein“, Veranstalter: „Miteinander leben“)
14. – 22. Mai
„Landbunter – Woche der guten Nachbarschaft“ in Schleswig-Holstein:
- 14. Mai: „Miteinander leben“ nimmt an der Auftaktveranstaltung in Kiel teil.
- 17. Mai bis 05. Juni: Ausstellung der Photoreportage „Mölln nach Mölln – Reaktionen einer Kleinstadt auf rassistische Gewalt“ von Walle im Möllner Stadthaus
- 17. Mai: Der von Danielle Mitterand initiierte „Europäische Paß gegen Rassismus“ wird in Mölln vorgestellt.
- 17. Mai: Autorenlesung mit dem türkischen Satiriker Sinan Dikmen
- 21. Mai: 2. Begegnungsfest des Vereins „Miteinander leben“